«Aussenräume sind wichtiger geworden»: Ralph Hoffmann, Mitinhaber des Gartencenters Hoffmann in Unterengstringen
«Aussenräume sind wichtiger geworden»: Ralph Hoffmann, Mitinhaber des Gartencenters Hoffmann in Unterengstringen (Sebastian Schuler)
Interview

«Wenn man mit Pflanzen spricht, fördert das ihr Wachstum»

Wie bepflanze ich meinen Balkon richtig? Worauf muss ich bei den Töpfen achten? – Gartengestalter Ralph Hoffmann über Urban Gardening, essbare Pflanzen und die Freude, sich mit der Natur zu beschäftigen.

Manuela Talenta

Die Corona zwingt uns seit Monaten, zuhause zu bleiben. Haben durch die Krise Aussenräume wie Terrassen, Balkone und Gärten an Bedeutung gewonnen?

Auf jeden Fall. Ich merke sehr stark, dass der Aussenräume viel wichtiger geworden sind. Wir waren bereits vor der Pandemie gut ausgelastet, aber seit deren Beginn hat die Nachfrage deutlich zugenommen.

Ist auch die Gartenarbeit als Ausgleich wichtiger geworden?

Ja, der Trend hin zum Urban Gardening ist sehr ausgeprägt. Die Menschen möchten ihre Salatköpfe, Radieschen und Tomaten selbst züchten. Nutzpflanzen im Hochbeet stossen auf immer grösseres Interesse. Die Befürchtung, dass wir nur noch vor dem Computer sitzen, habe ich jedenfalls schon lang nicht mehr gehört. Die Menschen merken, dass es richtig Freude macht, sich mit der Natur zu beschäftigen. Die Wertschätzung für alles Lebendige hat zugenommen.

Was kann man auf der Terrasse oder dem Balkon anpflanzen, wenn man etwas ernten will?

Da ist die Bandbreite heutzutage riesig. Es ist – abhängig vom Standort – sozusagen alles an Obst, Beeren, Früchten, Salaten und Gemüsen möglich. Es gilt jedoch den Standort richtig auszuwählen. Ein Zwergobstbaum etwa will nicht im Schatten stehen, während es die Tomate gern etwas gedeckt mag. Viel kann man mit Mischbepflanzungen oder durch geschickte Platzierung der Gefässe erreichen. Bei Familien sind essbare Pflanzen übrigens ein absolutes Dauerbrenner-Thema. Man möchte den Kindern beibringen, dass die Erdbeere nicht aus dem Plastikbehälter kommt, sondern an einer Staude gewachsen ist, oder dass man den Apfel vom Baum pflücken kann. Bei der älteren Generation geht es eher darum, wie pflegeleicht die Pflanzen sind. Für einen 70-jährigen Rentner ist ein Kirschbaum, von dem man die Früchte ablesen muss, kaum das Richtige.

Hat auch die Qualität der Balkon- und Terrassengestaltung zugenommen?

Ich würde zwar nicht behaupten, dass wir uns in diesem Bereich zu den führenden Nationen zählen können, aber ich sehe, dass das Qualitätsbewusstsein ständig gewachsen ist. Ein holländischer Pflanzenhändler sagte mir einmal: «Wir werfen weg, was verblüht ist.» Der Schweizer und die Schweizerin sind nicht so. Kaufen sie etwas, soll es ein Leben lang halten. Da spielt Qualität natürlich eine grosse Rolle. Sind die Gefässe winterfest? Halten sie jahrelang? Habe ich die richtige Pflanze eingetopft? – Gerade wenn es um grössere Gestaltungen geht, will man die Gewähr haben, dass alles funktioniert. Da sind auch wir Gestalter gefordert, denn Terrassen und Balkone befinden sich oft in einem Extremklima, wo wir an Grenzen stossen.

«Man möchte den Kindern beibringen, dass die Erdbeere nicht aus dem Plastikbehälter kommt...»

Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?

Wir nehmen uns die Natur zum Vorbild. Im Prinzip lässt sich jeder Standort mit der richtigen Pflanzenwahl im passenden Topf nutzen. Haben wir einen Nordbalkon ohne Sonne, sind wir fast wie in einem Wald und landen bei Farnen oder Akeleien. In grösserer Höhe und bei intensiver Sonneneinstrahlung denken wir Gestalter an Felslandschaften. Dort wachsen etwa robuste Nadelgehölze. Unsere einheimische Eibe ist zum Beispiel ein Urfossil, das vom Klima her extrem viel verträgt. Neben Eiben funktionieren von den Immergrünen auch Kiefern oder Wacholder, von den Laubhölzern eignen sich Amberbäume, Parottien-Bäume oder japanische Ahorne. Letztere sind übrigens extrem beliebt, weil es hervorragende Topfpflanzen sind.

Welche Gewächse haben es in einem Topf eher schwer?

Zum Beispiel Pflanzen, die extrem wüchsig sind. Ein Baum, der vierzig Meter hoch wird, ist grundsätzlich nicht für eine Topfkultur geeignet. Auch Pflanzen, die sehr tiefe Wurzeln ausbilden, sind suboptimal. Dazu gehören etwa Rosen. Sie sind sogenannte Tiefwurzler, deshalb benötigen sie unbedingt einen tiefen Topf.

Rosen werden von vielen als besonders schön empfunden. Welche Alternativen gibt es, wenn jemand viel Wert auf Ästhetik legt?

Zum Beispiel japanische Ahorne. Zier-, Fächer- oder Schirmahorne haben sehr schönes Laub, sobald sie eingrünen, und im Winter wunderschöne Stammstrukturen. Auch Staudengewächse wie Lavendel oder Salbei sind ein Fest für die Augen. Formgehölze – also Pflanzen, die in eine Form geschnitten wurden – gehören ebenfalls dazu. Sehr beliebt sind Schirmformen: mehrere Stämme in die Höhe und darauf eine grüne Laub- oder Nadelwolke. Man sitzt unter dem Baum im Schatten und kann trotzdem die Aussicht geniessen.

So wird der Balkon zur gemütlichen Sommeroase – fünf Tipps von Ralph Hoffmann

1 Nicht klein, sondern gross denken

Stellt man nur kleine Pflänzchen und Töpfchen auf, kommt keine Stimmung auf. Es braucht Grösse, um das Grüngefühl maximal auszuschöpfen.

2 Das richtige Gefäss

Die Gefässwahl ist entscheidend und bringt langfristig Erfolg.

3 Die Wahl der Pflanzen

Sie sollen als Topfpflanzen geeignet sein und am richtigen Ort platziert werden.

4 Gefässe richtig bepflanzen

Es braucht eine Drainage, damit das Wasser ablaufen kann. Hier können zum Beispiel Füsschen helfen, auf die der Topf gestellt wird. Wichtig ist vor allem aber auch die richtige Erde.

5 Freude haben

«Das ist der wichtigste Punkt», sagt Ralph Hoffmann. «Man soll mit Freude und Spass experimentieren und sich in der grünen Welt austoben. Wer eine grosse Terrasse hat, ist in meinen Augen geradezu verpflichtet, etwas daraus zu machen.»

(Getty Images)

Kommen Insekten auch in höheren Lagen auf Pflanzen und Bäumen vor?

Diese Frage stellen unsere Kunden eher bezüglich Schädlingen. Aber die Höhe spielt keine Rolle. Der Buchsbaumzünsler kommt auch ins zehnte Stockwerk. Die Natur hält nicht Abstand, nur weil der Balkon oder seine Bepflanzung in luftigen Höhen liegt.

Wie finden die Leute die passende Auswahl an Pflanzen, wenn sie sich eine Oase auf dem Balkon oder der Terrasse schaffen wollen?

Die meisten informieren sich vorgängig im Internet, und viele Kundinnen und Kunden bringen etwa Pinterest-Bilder als Vorlage mit. Vorinformation ist wichtig: Schafft man sich einen Hund an, sollte man sich ja auch im vornherein bewusst sein, was das bedeutet. Dort hat man jedoch den Vorteil, dass das Tier winselt, wenn es ihm nicht gut geht. Das tut eine Pflanze nicht. Deshalb muss man seinen Fokus auf andere Dinge richten. Denn eine Pflanze lebt genauso wie ein Hund. Man kann eine Pflanze sozusagen geistig töten, um es etwas überspitzt zu formulieren. Wenn ich ihr immer sage, dass sie mir nicht gefällt und dass ich sie am liebsten in den Abfall werfen möchte, dann geht sie höchstwahrscheinlich auch ein.

Mit Pflanzen zu sprechen, beeinflusst tatsächlich deren Wachstum?

Ja, das ist sogar wissenschaftlich erwiesen.

Dennoch bleibt es eine Herausforderung, seinen Balkon oder seine Terrasse zum Blühen zu bringen. Welche Fehler werden am häufigsten gemacht?

Es gibt vieles, was man falsch machen kann: das nicht fachgerechte Einpflanzen, die Drainage, die Wahl der Erde, der Pflanzen, des Standorts oder die Gefässgrösse. Man zieht einem Kind ja auch keine Schuhe der Grösse 45 an. Die Füsse wachsen aber im Lauf der Jahre. Bei Pflanzen muss man auch ein bisschen so denken. Irgendwann kommt der Zeitpunkt zum Umtopfen.

Die Auswahl an Töpfen ist riesig. Wie wichtig ist das Material?

Das ist vor allem dann entscheidend, wenn es um Langfristigkeit geht. Nehmen wir zum Beispiel einen Terrakottatopf. Er ist winterhart, aber er atmet auch. Durch das Verdunsten von Wasser kühlt er im Sommer automatisch runter. Aluminiumgefässe brauchen hingegen eine Isolation. Sie werden im Sommer so heiss, dass man fast Spiegeleier darauf braten könnte.

«Schlingpflanzen sind eine weitere Möglichkeit, wenn man es intensiv grün haben möchte.»

Wie nutzt man auf einem kleinen Balkon den Raum maximal aus?

In einem solchen Fall stellt man sich einen Topfgarten zusammen. Man beginnt zum Beispiel mit dem Basilikum im kleinsten Topf, dann folgt der Rosmarin, dann vielleicht ein Topf mit einem Obstbaum und zum Schluss ein schlanker, hoher Topf mit hübschen Margeriten. Der Trick bei kleinen Balkonen liegt in der geschickten Gruppierung der Gefässe, um den Raum perfekt auszunützen. Man kann auch Regale zum Einsatz bringen. Schlingpflanzen sind eine weitere Möglichkeit, wenn man es intensiv grün haben möchte.

Und wenn man viel Platz zur Verfügung hat: Wie kann man Bereiche für verschiedene Tätigkeiten wie entspannen, essen oder arbeiten abgrenzen?

Ist genug Platz vorhanden ist, finde ich eine Unterteilung zentral. So erzeugen wir Spannungen und erschaffen Blickachsen. Ausserdem will man ja nicht alles gleich auf dem Präsentierteller offenbaren. Natürlich kann man mit Wänden Räume schaffen, aber für mich als Gärtner sind solche immer die letzte Wahl. Erstens ist eine Wand totes Material, zweitens können Probleme bei der Befestigung entstehen. Gerade als Mieter darf man ja nicht einfach so überall bohren und schrauben. Ich bevorzuge daher eine grüne Unterteilung, beispielsweise ganz modern mit einem Heckenkörper. Soll es etwas stimmiger sein, sind auch Gräser eine gute Wahl. Pflanzen schaffen überdies einen gewissen Sicht- und Schallschutz, was unserem Bedürfnis nach Privatsphäre entgegenkommt.

Apropos Mieter: Könnte ich auf meinem Balkon oder meiner Terrasse eigentlich auch einen Froschteich anlegen?

Aufgepasst! Man muss die Reglemente genau durchlesen und sich gut informieren, was erlaubt ist und was nicht. Und das Gewicht einer Wasserlandschaft darf man nicht unterschätzen. Auf Terrassen haben wir zum Beispiel ein zugelassenes Höchstgewicht von 250 Kilogramm pro Quadratmeter, wobei es bei älteren Häusern geringer ist. Das heisst: Nur schon ein Becken mit 25 Zentimeter Wasser kommt auf das Höchstgewicht. Man fragt also lieber einmal zu viel nach, bevor man etwas baut.

Themenspezifische Specials

Mit themenspezifischen Specials, welche als zusätzlicher Zeitungsbund erscheinen, bietet die Sonntags Zeitung ihren Lesern regelmässig einen attraktiven Mehrwert.