Eigenheim

Die Hürden für ein Eigenheim werden immer höher

Dank rekordtiefen Hypozinsen und steigenden Löhne wäre ein Eigenheim für viele erschwinglich geworden. Trotzdem bleibt der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung für die meisten ein Traum.

Fredy Gilgen

Wer hat, dem wird gegeben. Am helvetischen Immobilienmarkt herrschen seit einigen Jahren buchstäblich biblische Zeiten.

Wer eine neue 4-Zimmerwohnung in Zürich kaufen kann, der bezahlt fürs Wohnen in Schnitt 33 600 Franken pro Jahr, wer die entsprechende Wohnung mieten muss, legt knapp 46 000 Franken auf den Tisch, hat die Zürcher Kantonalbank ZKB errechnet. Und die Credit Suisse kommt in einer umfassenden Studie zum Schluss, dass Kaufen in unserem Land im Durchschnitt knapp 18 Prozent günstiger ist als Mieten. «In Zürich spart ein Eigentümer monatlich rund 1000 Franken im Vergleich zum Mieter einer 4-Zimmer Wohnung», rechnet das Immobiliendienstleistungsunternehmens Iazi vor.

«In Zürich spart ein Eigentümer monatlich rund 1000 Franken im Vergleich zum Mieter einer 4-Zimmer Wohnung»

Der Schluss scheint also klar: Subito raus aus der Mietwohnung und rein ins Eigenheim. Wer kann, der kauft. Mit der Betonung auf kann. Dank dem leichten, aber stetigen Wachstum der Wirtschaft und der Löhne müsste schliesslich ein immer grösserer Anteil der Bevölkerung in der Lage sein, sich ein Eigenheim zu leisten. Was sich nach Umfragen nach wie vor der grösste Teil der Schweizerinnen und Schweizer wünschen. Auf der Basis von tagesaktuellen Marktpreisen und Zinsen sollte dies für viele auch kaum ein Problem sein. «Beim Erwerb einer neuen Eigentumswohnung müsste ein Haushalt mit mittlerem Einkommen rund 15 Prozent des Haushaltseinkommens fürs Wohnen aufwenden und beim Erwerb eines neuen Einfamilienhauses rund 22 Prozent», erklärt Credit-Suisse-Immobilienexperte Fredy Hasenmaile.

Der Spielverderber ist die kalkulatorische Tragbarkeit

Doch trotz dieser auf den ersten Blick erfreulichen Zahlen geht die Rechnung für den Kaufinteressenten oft nicht auf. Der Pferdefuss heisst Tragbarkeit. Und zwar nicht die oben erwähnte effektive, sondern die kalkulatorische. So grenzwertig es auch klingen mag, massgebend ist eine Was-wäre-Welt. Was wäre, wenn die Zinsen unvermutet stark steigen würden.

«In den Tragbarkeitsberechnungen werden um ein Mehrfaches höhere kalkulatorische Sätze von in der Regel 4,5 bis 5 Prozent eingesetzt.»

Statt realer Hypothekarsätze werden in den Tragbarkeitsberechnungen der Geldinstitute deshalb um ein Mehrfaches höhere kalkulatorische Sätze von in der Regel 4,5 bis 5 Prozent eingesetzt. Dies, weil sowohl Banken wie vor allem auch die Bankenaufsicht Finma und die Nationalbank ganz sicher sein wollen, dass ein unvermittelter Zinsanstieg bei den Schuldnern nicht massive Zahlungsprobleme zur Folge hätte, Probleme, die in einer Kettenreaktion sogar die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden könnten. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Und nun sieht es plötzlich zappenduster aus: «Auf Basis dieser kalkulatorischen Rechnung sind rund drei Viertel der Haushalte nicht in der Lage, das mittlere Transaktionsobjekt im Wert von rund 800 000 Franken zu finanzieren», erklärt UBS-Immobilienexperte Matthias Holzhey. Dies bei einer achtzigprozentigen Belehnung.

Für ein Objekt mit 140 Quadratmetern wäre in Genf ein Monatseinkommen pro Haushalt von 40 000 Franken erforderlich, in Zürich 35 000 Franken und in Bern 19 000 Franken.

Auf Basis neuester Zahlen ist das Dienstleistungsunternehmen Iazi zu folgenden ernüchternden Zahlen gekommen: Für ein Objekt mit 140 Quadratmetern wäre in Genf ein Monatseinkommen pro Haushalt von 40 000 Franken erforderlich, in Zürich 35 000 Franken und in Bern 19 000 Franken.

Sofort runter mit dem hohen Kalkulations-Zinssatz? «Nein», findet Benjamin Manz, Leiter des Vergleichsdienstes Moneyland: «Die Schweiz ist bisher mit einer eher sorgfältigen Vergabe von Hypothekarkrediten gut gefahren.» Deshalb sei es sinnvoll, den kalkulatorischen Zinssatz als Richtgrösse zu belassen.

«Die Schweiz ist bisher mit einer eher sorgfältigen Vergabe von Hypothekarkrediten gut gefahren.»

Auch die Banken, die bei einer weniger strengen Regelung ihren Hypothekenbestand noch deutlich ausweiten könnten, sehen keinen Handlungsbedarf. Fredy Hasenmaile, Immobilienexperte der Credit Suisse gibt zu bedenken: «Der Wohneigentumsmarkt hat sich nicht zuletzt dank dieser regulatorischen Vorgabe nicht überhitzt. Die Preise liegen wegen der Tiefstzinsen dennoch auf einem sehr hohen Niveau. Entsprechend gross sind die Risiken von Preiskorrekturen.» Es wäre unklug, den zugegebenermassen hohen Hypothekarsatz bei der kalkulatorischen Tragbarkeit jetzt zu senken.

Alternative Finanzierung

Modelle, die den Mietern trotz der hohen Tragbarkeitshürden zu einem Eigenheim verhelfen könnten, gibt es einige. Die häufigsten:

– Die Eigenheim-Miete: Hier kauft ein Finanzinstitut oder ein Investor das Wunschhaus des künftigen Eigentümers und vermietet es ihm dann für maximal zehn Jahre. Während der Vertragslaufzeit kann der Mieter das notwendige Eigenkapital ansparen, um die Immobilie später vom Eigentümer zu kaufen.

– Wohnen auf Zeit: Hier kauft man ein Eigenheim von einem Investor für eine bestimmte Nutzungsdauer. Nach dieser Zeit geht das Objekt an den Investor zurück, und der Zyklus beginnt von vorn.

Solche und ähnliche Modelle sind aber bisher nur in Einzelfällen in der Praxis umgesetzt worden. «Das auf Ewigkeit angelegte Wohneigentumskonzept ist in der Gesellschaft tief verankert. Die Überwindung solcher Denk- und Verhaltensmuster dauert sehr lange», erklärt CS-Experte Hasenmaile. Für Haushalte geht es um viel Geld, was dazu führt, dass sie vor allem auf etablierte Konzepte setzen und neuen Konzepten mit grosser Skepsis begegnen. Der CS-Experte erinnert an das Stockwerkeigentum, das in der Schweiz seit 1965 zulässig ist, aber erst in den 90er-Jahren eine grosse Verbreitung fand.

Zinssenkung würde zu einer Preissteigerung führen

Modellrechnungen der CS zeigen, dass bei einer Senkung die Preise erst recht in die Höhe schiessen würden, sodass Haushalte, die sich derzeit kein Eigentum leisten können, gar nicht bessergestellt würden. Zudem gibt es keinerlei Hinweise, dass die Finma eine Lockerung der Tragbarkeitsrichtlinien tolerieren würde. Bestrebungen dazu hat sie bereits 2017 unterbunden.

Die heutige Tragbarkeitsrechnung sei nötig für die langfristige Stabilität des Bankensystems, betont auch UBS-Experte Holzhey. Mehr Leverage würde höhere Preise und Ungleichgewichte bedeuten und eine zusätzliche Umverteilung mittels Tiefzinsen von unten nach oben bewirken. Ähnlich argumentiert auch die ZKB: «Eine Senkung des kalkulatorischen Zinssatzes zur Erhöhung der Wohneigentumsquote ist verfehlt. Sie hätte vor allem eine deutliche Preissteigerung zur Folge. Damit wären diejenigen, denen man eigentlich Zugang zum Immobilienmarkt verschaffen wollte, weiterhin ausgeschlossen.

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