Künstlerin Andrea Stahl
Künstlerin Andrea Stahl
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Poesie aus dem Schweissbrenner

Die Künstlerin Andrea Stahl fertigt aus schwerem Eisen bezaubernde Objekte. Den «Mezza Luna»-Grill etwa, der Funktionalität und Ästhetik perfekt vereint.

Ulrike Hark (Text) und Tom Egli (Fotos)

«Ich kann mir ein Leben ohne Schweissen nicht vorstellen», sagt Andrea Stahl. Einige singen, andere tanzen, sie schweisst. Seit dreissig Jahren. Nicht als Hobby, sondern aus Berufung.

Dass sie auch noch so heisst wie das Material, das sie umtreibt, ist eine reizvolle Pointe des Schicksals: «Viele meinen, Stahl sei mein Künstlername, aber das stimmt nicht.»

Wenn Andrea Stahl redet, fliegen ihre braunen Locken, und wenn sie mit dem Plasma-Schneider frei und ohne Vorlage harmonische Ornamente in das schroffe Eisen brennt, sprühen die Funken. Wer sie in ihrer Werkstatt, der ehemaligen Bürstenfabrik in Oberentfelden AG, besucht, spürt den Drive und die Power dieser Frau. In ihrer Arbeitskluft, dem derben schwarzen Overall, bewegt sie sich leichtfüssig und sicher zwischen Eisenplatten, Rohren, Prototypen und Kisten voller Metallschnipsel.

«Ich kann mir ein Leben ohne Schweissen nicht vorstellen»

Es ist eine raue Welt, in der poetische Objekte entstehen: Leuchten für drinnen und draussen, die wie filigrane Spitze wirken, Garten-Sichtschutze gegen Nachbars neugierige Blicke, Feuerschalen, die am Abend ein tolles Lichtspiel geben, und der «Mezza Luna»-Grill, der perfekt in die Saison passt. Der praktisch ist und dabei erst noch gut aussieht. Eine dekorative Alternative zu all den maskulinen Grillgeräten, hinter denen man sich Bierbäuche vorstellt. «Mezza Luna» dagegen punktet mit rustikalem Charme: Ein Halbrund mit kunstvoll durchbrochenem Rand, der die Flammen im Innern durchscheinen lässt. Die Kunst besteht darin, das flirrende Muster intuitiv und freihändig so aus dem Eisen zu brennen, dass das Verhältnis von geschlossenen zu offenen Flächen in einem ausgewogenen Verhältnis steht. «Das muss perfekt stimmen», sagt Andrea Stahl. Sonst wirke es rasch wie ein überdehntes Strickmuster. Nicht jeden Tag gelingt ihr das gleich gut, Wenn ich schlechte Laune habe, funktioniert es nicht.» Und: «Bloss nicht dabei denken, es muss direkt aus dem Bauch kommen.» Wenn es gut läuft, erlebt sie beim Schweissen immer wieder Glücksgefühle, einen Flow, quasi «einen Dialog zwischen Materie und Leere», wie sie es formuliert.

Dank Rollen ist der massive Grill auch mobil

Angefeuert wird «Mezza Luna» mit Brennholz, das Grillgut kommt direkt auf die Eisenplatte, welche die Schale oben teilweise bedeckt. Ein integrierter Rost in der Platte versorgt Fleischliebhaber mit rauchiger Würze. Und dank Rollen ist das schöne Teil auch noch mobil. Die Zeit bringt dann die richtige Patina. Andere Objekte, wie die Gartensessel oder die wetterfesten Wandlampen «Luna» und «Sole» schweisst Andrea Stahl aus einzelnen Metall-Ornamenten zusammen. Das ergibt ein besonders filigranes Bild und macht aus den Leuchten Lichtobjekte: «Sole» leuchtet wie ein grosser, runder Mond. Günstig sind Stahls exklusiven Unikate allerdings nicht, ein Grill kostet zwischen 2500 und 3000 Franken.

Mit dem Plasma-Schneider brennt die Künstlerin verspielte Ornamente in das massive Eisen.
Mit dem Plasma-Schneider brennt die Künstlerin verspielte Ornamente in das massive Eisen.
Grill «Mezza Luna»
Grill «Mezza Luna»

Angefangen hat alles Ende der Achtzigerjahre. Damals hatte Andrea Stahl kein Geld für schöne Möbel und schweisste sich im Gemeinschaftszentrum Heuried in Zürich ihre eigenen Stücke aus Eisenrohren zusammen. Was die Allgemeinheit für kalt und abweisend hielt, war «ihr» Material, ein schon fast magischer Werkstoff. «Eisen ist durch und durch ein Naturmaterial», sagt sie. Die Motive, die sie aus dem Eisen herausholt, wirken verspielt und orientalisch. Doch Stahl schöpft ihre Ideen aus der Natur. Aus dem flirrenden Licht etwa, das von oben durch Baumkronen bricht. Auf der Gartenliege «Gondola» liegt man geborgen wie auf filigranem Geäst. Bei Andrea Stahl wird das Schwere leicht, und das Harte poetisch.

Ihr bisher grösstes Kunstwerk hat sie gerade vollendet, den Kreisel im Luzernischen Dagmersellen. Drei Kugeln aus Chromstahl mit einem Durchmesser von zweieinhalb Metern regulieren dort den Verkehr. Dass es Kugeln sind, ist kein Zufall. «Sie sind ein Symbol, dass alles im Rollen ist, dass es trotzdem weitergeht», sagt Stahl und spielt damit auf Corona an. Grösser denken, das möchte sie in Zukunft, ein Gartenpavillon schwebt ihr vor oder auch Land Art.

«Teamschweissen ist heiss»

Sie möchte Menschen zusammenbringen, die gemeinsam etwas kreieren, und sich dabei vielleicht auch an etwas Neues in ihrem Leben heranwagen. Die sich neu positionieren wollen, beruflich oder privat. Dass sie Leute motivieren kann, hat sie in vielen Workshops und Firmen-Events bewiesen, die sie während der letzten Jahre in ihrer Werkstatt durchgeführt hat, und die wegen der Pandemie zurzeit leider nicht stattfinden können. «Teamschweissen ist heiss», lautete das Motto, «die Leute waren absolut happy, wenn sie abends etwas selbst Geschweisstes mit nach Hause nehmen konnten.»

Die meisten Kunden kommen direkt in der Werkstatt vorbei

Gemeinsam austauschen, anregen, bereichern – diese Wörter fallen oft, wenn man mit Andrea Stahl spricht. Dass sie vor einigen Jahren ihre Werkstatt von Aarburg nach Oberentfelden in die Gewerbehallen der «Alten Bürsti» verlegt hat, sei ein guter Entscheid gewesen. Früher sei sie eine einsame Schafferin gewesen, heute kann sie sich mit anderen Kunstschaffenden austauschen. Kritik, Zuspruch, alternative Vorschläge von Gleichgesinnten, wenn man sich in etwas verrannt hat – das alles ist ihr wichtig. Denn Stahl wirkt zwar stark, aber auch sie ist vor Selbstzweifeln und Zukunftsängsten nicht gefeit.

Feuriges für den Garten und ein kreativer Bus

Andrea Stahl, 1968 in Dietikon ZH geboren, ist eine Ausnahmeerscheinung: Seit dreissig Jahren ist sie mit dem Schweissbrenner unterwegs. Sie hat die Gestaltungsschule in Luzern absolviert und ihr Können später mit Weiterbildungen in der Bildhauerei, Holzverarbeitung und Raumgestaltung erweitert. In ihrer Werkstatt in Oberentfelden AG schweisst sie Gartenobjekte, Möbel und Metallskulpturen. Daneben gibt sie Seminare und Workshops für Teams und Einzelpersonen. Ihr jüngstes Projekt ist der Autokreisel in Dagmersellen LU, wo drei grosse Stahlkugeln den Verkehr regeln. Diesen Sommer plant sie einen Bus namens «CreatiWo», der als fahrende Werkstatt Menschen vor Ort zum kreativen Miteinander einladen soll. Die Künstlerin lebt in Gränichen AG.

Werden sich genügend Kunden für die neue Kreation finden? Wie lange macht der Körper die schwere Arbeit noch mit? Künstlerische Freiheit heisst immer auch Unsicherheit ertragen können. «Ich lebe schon lange mit einer Portion Ungewissheit, nicht erst seit der Pandemie», sagt sie. Doch je älter sie werde, desto vertrauensvoller blicke sie in die Zukunft. Denn die 53-Jährige beweist sich jeden Tag: Es geht. Und es gibt immer einen Weg.

«Ich lebe schon lange mit einer Portion Ungewissheit, nicht erst seit der Pandemie»

Ihre Kreationen verkauft sie vor allem in der Schweiz, aber auch nach Liechtenstein und Deutschland. Die meisten Kunden kommen direkt in ihrer Werkstatt vorbei, der persönliche Kontakt und der Austausch über ihre Objekte sind Stahl wichtig, einen Onlineshop betreibt sie nicht. «Viele haben meine Sachen bei Nachbarn gesehen oder einer Freundin, sie wissen meistens recht genau, was sie wollen.»

Eine Überraschung für diesen Spätsommer schlummert bereits im Schweissbrenner: Ein Bus namens «CreatiWo». Dahinter versteckt sich das Angebot zum Mitmachen, eine Einladung für Kreativität auf Rädern. Die fahrende Werkstatt soll für eine bestimmt Zeit jeweils von Gemeinden gebucht werden und Leute vor Ort animieren, zusammen etwas zu kreieren.

«Für mich entspringt das Glück der Selbsterfahrung aus dem Machen.»

Objekte nicht nur aus Eisen, sondern aus unterschiedlichen Materialien – es darf geschweisst, gemalt und geflochten werden. Schliesslich malt Stahl selber, am liebsten mit der blossen Hand auf die Leinwand.

Und weil innere Bereicherung nicht nur im Handwerklichen, sondern auch in der Reflexion und Meditation liegt, sollen Yoga-Kurse das Programm abrunden. Esoterik und Eisen? Passt das zusammen? «Keine Angst, es wird nicht ideologisch», sagt Andrea Stahl. «Für mich entspringt das Glück der Selbsterfahrung aus dem Machen.»

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