Themenspezifische Specials
Mit themenspezifischen Specials, welche als zusätzlicher Zeitungsbund erscheinen, bietet die Sonntags Zeitung ihren Lesern regelmässig einen attraktiven Mehrwert.
Christoph Ammann (Text) und Jacqueline Vinzelberg (Fotos)
Unter dem Solarium-Strahlenmeer fühlt sich Pluto augenfällig wohl. Er schnaubt und reibt die rosafarbenen Nüstern am Oberarm von Hannes Zitta. Der Wiener ist einer der raren Vertreter seiner Zunft in Zermatt. Er pilotiert die Gäste mit der zweispännigen Kutsche oder dem filigranen Landauer vom Bahnhof zum Zermatterhof. «Wir leisten uns diesen Service», sagt Rafael Biner, Direktor des Fünfstern-Superior-Hauses.
Den Gästen im Grand Hotel darf es an nichts fehlen, und auch die beiden Lipizzaner Pluto und Favorit sind zusammen mit einem eingemieteten Freiberger standesgemäss untergebracht – in einem schönen Stall mit Auslauf, gleich unter der Findelnbrücke der Gornergratbahn, Traumaussicht aufs Matterhorn inklusive. Wenn Zitta die Schimmmel von Kummet, Halfter und Geschirr befreit hat, führt er sie unter den Wärmespender; die verschwitzten Pferde dürfen sich nicht erkälten.
Der Kutscher zog Anfang der letzten Sommersaison aus Wien ins Wallis. Nach einigen Jahren auf dem Bock eines Fiakers schätzt er das weitgehend autofreie Zermatt: «Einzig der Müllwagen erschreckt manchmal die Pferde.» Er registriert mit Hochachtung die Zuneigung, die Pluto und Favorit seitens der Besitzerschaft erfahren. «Probieren’s mal die Körnermischung für die Pferde», schmunzelt Zitta, «erinnert an Müslimischung für Menschen.»
Nun, das Frühstück der zahlenden Zermatterhof-Kundschaft kommt natürlich nicht aus der Futterhandlung, sondern wird auf edlem Porzellan serviert – im Hauptrestaurant Lusi, dem schönsten Schauplatz im Haus. Wenn die Zwischenwand zurückgeschoben ist, erinnert er an einen Ballsaal der Belle Epoque – dank Glaskuppel und Blattgoldstuck. Dabei ist der Saal gerade mal 26 Jahre alt.
«Das Hotel unterliegt einer ständigen Metamorphose», betont Rafael Biner. Nach der Dämmerung lässt sich das Licht der Kronleuchter dimmen, und dann glühen Tausende von Sternen über den Gästen. Herr über die Küche des Lusi, der rustikalen Käsestube Saycheese, und vor allem des Gourmettempels Prato Borni ist Chefkoch Heinz Rufibach. Weil zuletzt pandemiebedingt externe Gäste nicht zugelassen waren, blieb das Feinschmeckerlokal nur an drei Tagen die Woche geöffnet. «Um 19 Uhr stehe ich mit frischer, weisser Kochbluse bereit, den Gästen persönlich das Amuse Bouche zu servieren», sagt der Berner, der 2017 ein Comeback im Zermatterhof gab – und dessen Küche im Prato Borni der Gourmetführer «Gault Millau» mit 16 Punkten bewertete und der «Guide Michelin» mit einem Stern.
«Ich gehe meinen eigenen Weg, kombiniere die alpine mit der mediterranen Küche», sagt der umgängliche Chef, der während seiner Wanderjahre im Castello del Sole in Ascona kochte und dort die Vorzüge von Oliven, getrockneten Tomaten und anderen südlichen Ingredienzen erfuhr. Fürs Prato Borni kreiert Rufibach zwei Menus, deren Gänge man kombinieren kann: «Heimat» und «Fernweh».
In der Branche gilt Rufibach als Grossmeister der Gnocchi, jüngst verfeinerte er die Kugeln mit Zieger und färbte sie fürs «Fernweh»-Menu mit Tinte; Meeresfrüchte und roter Curry begleiteten auf dem Teller die schwarzen Leckereien. «In jedem Gericht kommt mindestens eine alpine Komponente zum Zuge», so Rufibachs kulinarischer Plan. Hier ein Schäumchen vom Alpkäse, dort etwas Hirschtrockenfleisch. «Ich ehre das Grundprodukt und möchte es möglichst unverfälscht auf den Tisch bringen», sagt der Küchenmeister, der 2020 vom Hotelexperten Karl Wild zum «Koch des Jahres» geadelt wurde.
Rufibachs Hauptpartner in der Zermatterhof-Gastronomie heisst Peter Zimmermann. Der talentierte Sommelier schickt die Gäste auf eine abendliche Weinreise und reicht neben klugen Erläuterungen zu jedem Gang ein Glas mit einem Tropfen, der sich entweder harmonisch fügt oder einen mutigen Kontrast bildet. Grüner Veltliner zu weissen Spargeln oder Aligoté zum Spanferkel, einen Roten, bei Sion angebaut, aus dem Burgund stammend. Zimmermann versieht seinen Job wie die meisten der rund hundert Zermatterhof-Mitarbeitenden mit Herzblut. Der gebürtige Badenser, der auch als Director of Food & Beverage wirkt, hat das Grand Hotel zum Mekka für Weinfreunde getrimmt: «Als ich 2016 hier anfing, lagerten hundert Positionen im Keller, jetzt bewirtschaften wir 600. Und der Vorrat, der früher für eine ganze Wintersaison reichte, geht unter Normalbetrieb schon nach eineinhalb Monaten aus.»
Kutscher Zitta, Küchenmeister Rufibach, Sommelier Zimmermann: Der Mann, der die Truppe zusammenhält, ist Rafael Biner. Der Direktor, seit 16 Jahren im Haus, spürt als Einheimischer den Ort und die Gäste – und hat immer ein offenes Ohr für seine Crew. Es ist auch Biners Verdienst, dass der Zermatterhof von der SonntagsZeitung zum «Hotel des Jahres 2021» gekürt wurde, obwohl das Haus von den Möglichkeiten der Eigentümerschaft her nicht in der Liga eines Chedi in Andermatt oder eines Kulm in St. Moritz spielen kann. Doch Kompetenz und Dienstleistungsbekenntnis der Mitarbeitenden bleiben unter dem Strich die Faktoren, die für den Gast augenfällig sind.
«Es waren zuletzt strube Zeiten», bilanziert der Direktor, «aber Zermatt hat sich gut gehalten.» Sein Haus verlor während der Pandemie die meisten ausländischen Gäste, die traditionell den Hauptharst der Kundschaft bildeten. «Dafür haben wir Schweizerinnen und Schweizer gewonnen, viele sahen erstmals das Matterhorn.»
Der Zermatterhof ist ein Flaggschiff im weltbekannten Ferienort. 1879 riet der damalige Dorfpfarrer Josef Ruden den Bürgern, die Wiese bei der Kirche mit einem Hotel zu bebauen. «Deshalb sage ich den Gästen, die sich über das Geläute der Kirchenglocken beschweren», schmunzelt Biner, «dass es ohne die Kirche den Zermatterhof gar nicht gäbe.»
Das Grand Hotel gehört zur Matterhorn Group AG, die vier weitere Herbergen und zwölf Restaurants betreibt. Die Immobilie ist im Besitz der legendären Burgergemeinde; sie investierte in den letzten 15 Jahren neunzig Millionen Franken in Hotels und Restaurants. «Wir müssen streng rechnen, und konnten 2017 eine grössere Renovation stemmen», sagt Biner, der stolz durchs Haus mit den 69 Zimmern und Suiten führt – durch die schmucke Wellnessoase, über die neue Terrasse und Lounge, die das Hotel nach aussen öffnet.
Endstation ist die Smoker’s Lounge. «Die Barmänner kümmern sich um die Cocktails, ich mich um die Zigarren», sagt der Boss und justiert den Humidor. «Zigarren brauchen in der trockenen Bergluft besondere Aufmerksamkeit.» Er freut sich auf den abendlichen Genuss eines der wohlriechenden Kleinode aus Kuba oder Nicaragua – und natürlich auf die Sommersaison. Sie startet dieses Jahr am 25. Juni, voraussichtlich unter normaleren Begleitumständen. Und Direktor Biner hat Kutscher Zitta versprochen, Pluto und Favorit mit einem Gspänli zum Lipizzaner-Trio zu erweitern. Das sind doch schon mal hoffnungsfrohe Nachrichten.
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