Traditionelle Weinbaugebiete müssen ihre Regulierungen wegen des Klimawandels neu anpassen: Chianti Classico
Traditionelle Weinbaugebiete müssen ihre Regulierungen wegen des Klimawandels neu anpassen: Chianti Classico (Alamy)
Sponsored

Bio-Weine und weniger Alkohol

Die Weinwelt ist im Umbrauch. Klimatische Einflüsse und verändertes Konsumverhalten zwingen die Winzer zum Umdenken. Das sind die aktuellen Trends

Chandra Kurt

Als ob die Weinwelt nicht schon genug durch die Pandemie ins Stocken geraten wäre, hat dieses Jahr das Klima auch noch gezeigt, welch zerstörerische Folgen es für den Weinbau haben kann – und zwar mit Frost, Feuer, Wasser und Dürre.

So biblisch das klingen mag, muss sich das Jahr 2021 für zahlreiche Winzer wie die Hölle angefühlt haben. Klimawandel ist keine Prognose mehr, und wir erleben gerade den grössten önologischen Umbruch der Neuzeit. Er ist so massiv, weil er wie Covid global auftritt und jede Region anders darauf reagieren muss. Gleichzeitig wächst eine Generation von Weingeniessern heran, die gesünder und bewusster trinkt – und grossen Marken und Brands misstrauisch gegenüber steht.

Aber beginnen wir zuerst mit etwas Statistik. 2020 wurden weltweit rund 260 Millionen Hektoliter Wein produziert, wobei Italien (49,1 Millionen), Frankreich (46,6 Millionen) und Spanien (40,7 Millionen) für 53 Prozent der globalen Produktion verantwortlich sind. Was den Verbrauch anbelangt, so ist dieser im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent gesunken und liegt jetzt bei 234 Millionen Hektoliter. Auch in der Schweiz wird mit 30,1 Liter pro Kopf etwas weniger Wein getrunken als im vergangenen Jahr.

Parallel zum ökologischen «Gutes Gewissen»-Wein entdeckt man neue Weine, die auf «low calories» und «no alcohol» oder «low alcohol» setzen. Oder die vegan produziert werden.

Seit bald einem Jahrzehnt ist bekannt, dass die Produktion und der Transport von Weinflaschen einer der grössten Verursacher von CO2-Emissionen ist. Aus diesem Grund wird nach Alternativen geforscht – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Weinflaschen leichter werden, oder wir gar wieder zum System der Mehrwegflaschen finden. Auch verschwinden mehr und mehr die Kapseln an den Flaschenhälsen und neue Verpackungsformen wie die Aludose tauchen auf.

Umweltfreundlich produzierte Weine werden immer wichtiger

Lokaler Genuss ist nach wie vor hoch im Kurs. Vor allem die Generation Z setzt auf Nachhaltigkeit und Bio. Und konventionellen Weinen steht die Greta-Generation skeptisch gegenüber, zumal diese Weine als ungesund gelten, mit Pestiziden und Herbiziden behandelte Trauben enthalten und im Keller mit Zusatzstoffen und technologischen Tricks aufgemotzt worden sind. Wie wichtig biologischer und umweltfreundlicher Weinbau ist – und noch mehr werden wird –, hat auch das etablierteste publizistische Sprachorgan der Weinwelt anerkannt. Neu zeichnet Robert Parkers «Wine Advocate» Kellereien mit einem speziellen «Eco Distinction»-Label aus. Was für ein Statement für die Weinwelt!

Parallel zum ökologischen «Gutes Gewissen»-Wein entdeckt man neue Weine, die auf «low calories» und «no alcohol» oder «low alcohol» setzen. Oder die vegan produziert werden.

Auch auf einem ganz anderen Sektor der Weinwelt stehen grosse Änderungen bevor – und zwar im Weinberg selber. Winzer müssen ihre Traubensorten den neuen klimatischen Gegebenheiten anpassen, was wiederum zur Folge hat, dass gesetzlich regulierte Regionen, wie etwas das Chianti Classico entweder ihre Vorschriften aktualisieren – oder die Produktion von Weinen mit einem DOC-Status langfristig nicht mehr möglich sein wird.

Die Pflanzung in höheren kühleren Lagen ist bereits in vollem Gange – auch werden neue Weinregionen im Norden plötzlich attraktiver, während es im Süden zu heiss oder zu trocken wird. Als Folge davon steigen auch immer mehr Winzer auf neue Traubensorten um, die gegen Klimastress resistent sind – die sogenannte Piwi-Sorten, die keinen Sonnenbrand bekommen oder beispielsweise auch gegen Mehltau gewappnet sind. Dies wird wiederum ein Problem für bekannte Weine wie Bordeaux oder Burgunder, zumal wir uns kaum vorstellen können, einen Burgunder ohne Pinot noir oder einen Bordeaux ohne Cabernet Sauvignon und Merlot zu geniessen.

Lokaler Genuss ist nach wie vor hoch im Kurs. Vor allem die Generation Z setzt auf Nachhaltigkeit und Bio.

Interessant an dieser Diskussion ist, dass Griechenland zum Beispiel als älteste Weinregion Europas primär autochthone Sorten kultiviert, die eine unglaublich genetische Präposition besitzen, extremes Wetter durchzuhalten, was sie zu einer hochspannenden neuen alten Weinregion macht. Von den etablierten Regionen strahlt die Toskana im Moment besonders hell, zumal sie die Herausforderung, Grösse zu schaffen, hervorragend meistert.

Das Interesse, Weinkellereien direkt zu besuchen, steigt

Lob gebührt auch dem Schweizer Wein, der seit Beginn des Covid-Zeitalters agil und solidarisch aufgetreten ist – ganz abgesehen davon, dass der jetzt im Handel erhältliche 2020er-Jahrgang qualitativ hochwertig ist, und jetzt ein guter Zeitpunkt ist, sich einige Flaschen davon in den Keller zu legen. Der Absatz über den Onlinehandel steigt, wie auch das Interesse der Kellereien, sie direkt zu besuchen und zu erleben, wo Wein herkommt und wer die Leute dahinter sind. Der Schock der Zeit hat viele Winzer gezwungen, anzuhalten und etwas nachzudenken – und sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Solche Veränderungen mögen schwierig und unbequem erscheinen, aber sie sind notwendig und auf lange Sicht leichter zu akzeptieren als ein überhitzter Planet.

Themenspezifische Specials

Mit themenspezifischen Specials, welche als zusätzlicher Zeitungsbund erscheinen, bietet die Sonntags Zeitung ihren Lesern regelmässig einen attraktiven Mehrwert.