Birgit Biedermann, Notarin, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Erbrecht, Wernli Biedermann Partner.
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Neues Erbrecht: Mehr Freiheiten für Erblasser

Konfliktherde, Krisen- und Kriegsgebiete – und mittendrin das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Es leistet humanitäre Hilfe und vermittelt zwischen Konfliktparteien. Eine Arbeit, die auch dank Legaten möglich ist. Was tun, wenn man das IKRK mit einem Legat unterstützen möchte? Und was hat das revidierte Erbrecht, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, mit diesem Entscheid zu tun? Birgit Biedermann, Notarin, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Erbrecht, gibt einen Überblick.

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Dieser Beitrag wurde vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erstellt und von Commercial Publishing für die Publikation aufbereitet, wobei die Haftung für Inhalte (Wort, Bild) und externe Links beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) liegt.

Text: Ladina Spiess

Frau Biedermann, beginnen wir ganz grundsätzlich: Weshalb sollte man überhaupt ein Testament verfassen?

Grundsätzlich gilt: Wer selbst entscheiden will, was nach dem Tod mit seinen Vermögenswerten passieren soll, ist gut beraten, ein Testament zu verfassen. Mit einem Testament können auch allfällige Konflikte unter Angehörigen minimiert werden.

Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

Eine Nachlassplanung ist dann angezeigt, wenn eine Person über Vermögenswerte verfügt, die sie regeln möchte, aber auch dann, wenn wesentliche Veränderungen im Leben anstehen, wie Familiengründung, Hauskauf oder Gründung eines Unternehmens.

Viele Leute scheuen sich davor, ein Testament zu verfassen, weil sie sich dabei mit ihrer Endlichkeit auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt, dass sich manche Menschen grundsätzlich schwer tun mit Entscheidungen, die eine gewisse Tragweite haben, was bei einem Testament sicher zutrifft.

Was muss als Erstes angegangen werden, wenn sich jemand entschliesst, seine Erbschaft zu regeln?

Am Anfang steht eine Aufstellung aller Vermögenswerte, über die bestimmt werden soll: Liegenschaften, Bankkonten, Wertschriften, Kunst, Schmuck usw. Wurde alles aufgelistet und – wenn immer möglich –beziffert, stellt sich die Frage, wer später einmal was bekommen soll. Um die Aufteilung rechtlich korrekt und steuerlich optimiert anzugehen, empfiehlt es sich, eine Fachperson beizuziehen.

Heisst das, ich brauche in jedem Fall einen Anwalt oder eine Notarin, um meinen Nachlass zu planen?

Grundsätzlich kann jeder und jede selbst ein Testament aufsetzen. Aus der Praxis weiss ich jedoch, dass gerade Laientestamente häufig zu Problemen führen. Denn was für den Erblasser oder die Erblasserin klar ist, erscheint dem Umfeld und den Juristen und Juristinnen oft alles andere als klar oder wird unterschiedlich interpretiert.

Wie verfasse ich ein Testament?

Es gibt zwei Varianten: 1. eigenhändig oder 2. notariell beurkundet. Der Vorteil bei der zweiten Variante besteht darin, dass bei einer öffentlichen Beurkundung nicht nur fachliche Beratung erfolgt, sondern gleichzeitig die Urteilsfähigkeit der Person geprüft wird, die das Tesament verfasst hat. Dazu müssen zwei Zeugen anwesend sein.

Das gemeinschaftliche Testament kennen wir in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland nicht. Soll hingegen mit einer anderen Person gemeinsam und verbindlich etwas geregelt werden, empfiehlt sich ein Erbvertrag, der immer öffentlich beurkundet werden muss.

Auf den 1. Januar 2023 stehen Änderungen im über 100-jährigen Erbrecht an. Was passiert?

Die Revision soll das Erbrecht den heutigen Lebensformen und Bedürfnissen anpassen, mehr Freiheiten bei der Nachlassplanung einräumen, gleichzeitig aber die bisherigen gesetzlichen Erben und Erbinnen und ihre gesetzlichen Erbquoten beibehalten.

Die wichtigste Änderung betrifft die Pflichtteile, also die geschützte Mindestquote am Nachlass. Diese reduziert sich für direkte Nachkommen von 75 % auf 50 % des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteil der Eltern entfällt ganz, was vor allem bei kinderlosen Personen von erheblicher Bedeutung ist.

Bei einem Ehepaar in einem laufenden Scheidungsverfahren kann der Pflichtteil des Ehegatten oder der Ehegattin schon mit Einreichung des Scheidungsbegehrens wegfallen. Allerdings muss in einem Testament oder Erbvertrag ausdrücklich festgehalten werden, dass der Ehepartner oder die Ehepartnerin aus dem Nachlass nichts erhalten soll. Ist dies nicht der Fall, bleibt dieser erbrechtliche Anspruch bestehen, bis die Ehescheidung rechtskräftig wird. Eine weitere für die Praxis wichtige Neuerung betrifft die Schenkung.

Was gilt neu bei Schenkungen?

Ist das Erbe durch einen Erbvertrag geregelt, sieht das Gesetz künftig vor, dass den Erblasser oder die Erblasserin zu Lebzeiten praktisch ein Schenkungsverbot trifft. Davon ausgenommen sind Fälle, in denen ein Vorbehalt betreffend die freie Verfügung über das vom Erbvertrag betroffene Vermögen angebracht wurde. Weil Schenkungen faktisch die erbvertragliche Begünstigung schmälern, können sie unter den neuen Bestimmungen angefochten werden. Ausgenommen sind Gelegenheitsgeschenke. Der Erblasser oder die Erblasserin muss also neu im Erbvertrag vermerken, dass er/sie zu Lebzeiten weiterhin frei über sein/ihr Vermögen entscheiden und Schenkungen machen will.

Was heisst das konkret für ein bestehendes Testament bzw. einen Erbvertrag?

Bereits bestehende Dokumente bleiben gültig, fallen aber unter das neue Recht. Die Erbrechtsrevision ist deshalb eine gute Gelegenheit, sich zu fragen, ob das, was im Testament oder Erbvertrag geregelt wurde, noch immer anwendbar ist. Geht klar hervor, ob die alt- oder neurechtlichen Pflichtteile gelten? Soll die freie Quote erhöht werden? Soll ein Vorbehalt für Schenkungen aufgenommen oder im Hinblick auf eine allfällige Ehescheidung der Pflichtteil des Ehegatten bzw. der Ehegattin ausgeschlossen werden? Ich empfehle grundsätzlich, die Dokumente alle paar Jahre zu überprüfen.

Was gilt es bei Änderungen im Testament zu beachten?

Wer sein eigenhändiges Testament ändern will, muss die Änderungen handschriftlich vornehmen. Sie müssen klar als solche gekennzeichnet werden und mit einem Datum versehen sein. Das Testament muss erneut unterschrieben werden. Statt Anpassungen im bisherigen Dokument vorzunehmen, ist es sinnvoller, ein zusätzliches Dokument anzulegen und dieses mit dem Vermerk «Änderung / Ergänzung zum Testament vom …» zu versehen. Sonst könnte angenommen werden, dass das bisherige Testament durch das neue ersetzt wurde.

Sie haben es angesprochen: Mit dem revidierten Erbrecht wird die frei verfügbare Quote höher. Wen bzw. was kann ich damit begünstigen?

Alle und alles. Die frei verfügbare Quote kann zusätzlich zum Pflichtteil für den Ehepartner oder die Ehepartnerin , eingesetzt werden, aber auch für Patenkinder, Nachbarn, Freunde und Freundinnen ‒ und für gemeinnützige Institutionen.

Wie gehe ich vor, wenn ich einer gemeinnützigen Organisation etwas vermachen möchte?

Dabei ist die Grössenordnung entscheidend. Wer einer Organisation eine Spende hinterlassen möchte, vermerkt dies in seinem Testament oder Erbvertrag. Dabei wird entweder ein Betrag oder ‒ weil im Voraus nicht bekannt ist, wie viel Geld beim Ableben noch übrig ist ‒ eine Quote angegeben. Bei grösseren Vermögenswerten ist es sinnvoll, mit der Organisation das Gespräch zu suchen. Wichtig ist die genaue Bezeichnung der Organisation, die begünstigt werden soll.

Was empfehlen Sie bei der Berücksichtigung einer Organisation: Legat (Vermächtnis) oder Erbschaft?

In aller Regel ist ein Legat angebracht. Die Organisation erhält das Geld innerhalb nützlicher Frist – das ist alles. Ist sie Teil einer Erbengemeinschaft, kann es kompliziert werden. Erbengemeinschaften sind unter Umständen schwerfällig und uneinig, was zu langen Verhandlungen führen kann. Zudem haften die Erben und Erbinnen für die Schulden des Erblassers oder der Erblasserin. Es kann nicht Aufgabe einer gemeinnützigen Organisation sein, sich mit Erbstreitigkeiten auseinanderzusetzen.

Kann ich ein Legat (an das IKRK) an Bedingungen knüpfen?

Rechtlich ist das möglich. Die Frage ist einfach, wie sinnvoll es ist. Auch da muss der Kontakt mit der Organisation gesucht werden. Es gibt sicher Bedingungen, die nicht besonders problematisch sind. Andere wiederum sind kaum umsetzbar. Nehmen wir das Beispiel der humanitären Hilfe in der Ukraine, die momentan benötigt wird. Wie sich die Situation aber beim Ableben des Erblassers oder der Erblasserin präsentiert und ob die Hilfe des IKRK zu jenem Zeitpunkt in der Ukraine noch gefragt ist, ist nicht absehbar.

Sollen die Pflichtteilerben über das Vorhaben des Erblassers oder der Erblasserin, eine Organisation zu begünstigen, informiert werden?

Transparenz und offene Kommunikation ergeben auch in Erbfragen grundsätzlich Sinn. Allerdings würde ich das im Einzelfall anschauen und abwägen. Wie sind die Verhältnisse innerhalb der Familie zu den pflichtteilgeschützten Erben? Was ist zu erwarten, wenn sie informiert werden? Besteht möglicherweise das Risiko, dass sie Einfluss nehmen auf den Erblasser oder die Erblasserin und ihn oder sie vom beabsichtigten Vorhaben abbringen wollen?

Im Testament müssen der vollständige Name und die Adresse der Begünstigten stehen, in diesem Fall das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), 19 avenue de la Paix, 1202 Genf. Wenn Sie dem IKRK ein Vermächtnis zukommen lassen möchten, bietet Ihnen die Organisation an, die Gültigkeit dieses Testaments kostenlos durch eine Fachperson überprüfen zu lassen.

Legate und Erbschaften an das IKRK sind zu 100 % steuerfrei.

Für weitere Auskünfte: Marie-Jo Girod, Leiterin Legate und Spenden beim IKRK: Tel. +41 22 730 33 76 oder Mail an mgirodblanc@icrc.org

www.ikrk.org/legate