«Wir müssen unser System der Altersvorsorge der Realität anpassen»: Markus Leibundgut, CEO von Swiss Life Schweiz.
«Wir müssen unser System der Altersvorsorge der Realität anpassen»: Markus Leibundgut, CEO von Swiss Life Schweiz.
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«Die aktuellen Marktturbulenzen sind kein Grund zur Besorgnis»

Seit fünf Jahren ist er CEO von Swiss Life Schweiz. Markus Leibundgut über sinkende Renten, die Einbrüche an den Finanzmärkten und die Zukunft unseres Vorsorgesystems.

Das Schweizer Stimmvolk hat ganz knapp Ja gesagt zur neuesten AHV-Reform. Was bedeutet dieser Entscheid für die Gesundheit der AHV?
Kurzfristig verbessert dieser Entscheid die Lage der AHV. Gleichzeitig zeigt das sehr knappe Resultat, dass Reformen sehr gut austariert sein müssen. Und da besteht noch deutlicher Handlungsbedarf im Parlament.

Wie sicher ist unsere Altersvorsorge als Ganzes?
Grundsätzlich ist unser Dreisäulen- System robust aufgestellt. Allerdings müssen wir gewillt sein, dieses System weiter zu entwickeln. Über siebzig Jahre sind vergangen seit der AHV-Einführung und bald vierzig Jahre seit der Einführung der 2. Säule. Da ist es klar, dass es Anpassungen braucht. Dass die Lebenserwartung so stark steigt, wurde damals nicht erwartet. Wir müssen unser System der Altersvorsorge der Realität anpassen.

Und wenn wir dies nicht tun?
Dann wird die nächste Generation einen hohen Preis dafür bezahlen, dass wir die Reformen abgelehnt haben.

Sie fordern seit Jahren eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent. Doch nun haben wir wegen den steigenden Zinsen eine neue Situation.
Nur weil die Zinsen jüngst leicht angezogen haben, ändert sich die Ausgangslage für die 2. Säule nicht fundamental. Die steigende Lebenserwartung ist nicht zinsabhängig. Diese kostet. Darum müssen wir den Umwandlungssatz unabhängig von der Zinsentwicklung reduzieren.

Kann die Erosion der Renten in der 2. Säule gestoppt werden? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass die Renten weiter sinken?
Bei dieser Diskussion geht oft vergessen, dass die Gesamtleistungen in der 2. Säule gestiegen sind, weil die Renten aufgrund der höheren Lebenserwartung länger ausbezahlt werden. Die 2. Säule erbringt heute insgesamt also mehr Leistungen als früher. Es stimmt, dass die Jahresrente, also der Betrag, den man als Versicherter ausbezahlt bekommt, zurückgeht. Wenn wir sicherstellen wollen, dass die Renten nicht stärker sinken, müssen wir dafür sorgen, dass die Umwandlungssätze und die Finanzierung des Systems wieder im Gleichgewicht sind.

Was raten Sie Erwerbstätigen, die damit rechnen müssen, dass sie weniger Rente erhalten werden?
Man sollte sich frühzeitig beraten lassen. Je früher man mit seiner freiwilligen Altersvorsorge beginnt, desto eher kommt man auf einen grünen Zweig. Das Modell der Säule 3a hat sich bewährt. Auch wenn man nicht jedes Jahr den Maximalbetrag einzahlen kann, ist man so in der Lage, seine finanzielle Situation im Alter zu verbessern.

Viele nutzen die Säule 3a allerdings nicht oder zu wenig. Wo ist das Problem?
Es gibt Leute, die können es sich nicht leisten, zusätzlich Geld fürs Alter zu sparen. Andere wissen zu wenig über die Möglichkeiten, wie sie die eigene Vorsorge verbessern können. Helfen würde auch bei der Säule 3a eine Reform. Es wäre sinnvoll, wenn man verlorene Beitragsjahre nachträglich einkaufen könnte.

Allerdings scheinen viele angehende Rentner sehr wenig über ihre eigene Altersvorsorge zu wissen.
Das stimmt. Unsere eigene «Swiss Life»-Studie zeigt, dass die Hälfte der über 55-jährigen nicht genau weiss, wie viel Geld sie nach ihrer Pensionierung zur Verfügung haben. Wir haben den Auftrag, die Leute zu beraten und ihnen zu erklären, was sie im Alter erwartet. Und was sie tun können, um Lücken zu schliessen und so bei der Pensionierung finanziell besser dastehen.

Wie viel Rente man bekommt, hängt auch davon ab, wie erfolgreich Pensionskassen und Versicherer die ihnen anvertrauten Gelder anlegen. Sind angesichts der Börsenturbulenzen künftig nur noch geringere Renditen zu erwarten?
Wir hatten auch in der Vergangenheit starke Rückschläge an den Finanzmärkten. Die Erfahrung zeigt aber, dass das System der 2. Säule und die Pensionskassen mit starken Marktschwankungen umgehen können. Die Anbieter legen langfristig an, weil auch die Verpflichtungen langfristig sind. Schliesslich spart man in der 2. Säule über ein ganzes Arbeitsleben hinweg.

Wie sicher sind unsere Pensionskassen angesichts der Marktverwerfungen?
Die Deckungsgrade der Schweizer Pensionskassen haben kurzfristig stark unter den Marktverwerfungen gelitten. Aber das hatten wir auch in der Vergangenheit. Darum gehe ich davon aus, dass sich diese erholen, sobald sich die Finanzmärkte normalisieren. Aus meiner Sicht sind die aktuellen Marktturbulenzen noch kein Grund zur Besorgnis.

Zur Person

Markus Leibundgut ist seit fünf Jahren CEO Schweiz und seit 2014 Mitglied der Konzernleitung der «Swiss Life»-Gruppe. Er studierte Physik und Mathematik an der Uni Bern und promovierte auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorie. Bei Swiss Life ist er seit zehn Jahren tätig, zunächst als Finanzchef bei Swiss Life Schweiz. Von 2014 bis 2017 war er als CEO für das Geschäft von Swiss Life in Deutschland verantwortlich. Vor seinem Einstieg bei Swiss Life war er während über zehn Jahren Strategieberater bei McKinsey.

Die Zinsen steigen weltweit – auch bei uns in der Schweiz. Welche Auswirkungen hat das für die Swiss Life?
Wir sind mehrfach betroffen – angefangen vom Lebensversicherungsgeschäft über das Fondssparen bis hin zu den Hypotheken. Bei den Hypotheken sehen wir, dass viele Kundinnen und Kunden vorsichtiger geworden sind. Sie sind auch zurückhaltender beim Anlagesparen. Bei den Lebensversicherungen sehen wir keinen Unterschied zum Vorjahr. Falls die Zinsen stärker steigen, haben wir wieder mehr Möglichkeiten, zinsabhängige Produkte mit höheren Garantien anzubieten.

Stark betroffen ist die Swiss Life über ihre milliardenschweren Anlagen. Wie stark leidet Ihr Unternehmen unter den Kursverlusten bei den Obligationen?
Wir nutzen unsere Anlagen als Ertragsquelle. Wir halten die Obligationen primär wegen der Zinscoupons. Die Zinseinnahmen sind fix, auch wenn der Wert der Obligationen schwankt. Auch die Immobilien halten wir, weil wir damit regelmässige Mieteinnahmen erwirtschaften. Aktien haben wir im Depot wegen den Dividenden. All diese laufenden Einnahmen brauchen wir, um unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Versicherten wahrzunehmen. Wir halten die Anlagen sehr langfristig und können mit Zyklen umgehen. Der kurzfristige Wert ist sekundär.

Ihr Unternehmen ist der grösste private Immobilieninvestor der Schweiz. Welche Konsequenzen haben hier die steigenden Zinsen?
Unsere Immobilien befinden sich mehrheitlich an bevorzugten Lagen. Hier werden Wohnungen, Büro- und Ladenflächen nach wie vor gut nachgefragt. Entsprechend robust sind da auch die Bewertungen. Zudem sind drei Viertel unserer Mieteinnahmen an die Teuerung oder Zinsen gekoppelt. Wir sind sehr aktiv in unserem Immobilienmanagement und investieren regelmässig. Von dieser Qualität profitieren wir gerade auch im aktuellen Umfeld. Deshalb sind wir für die Zukunft zuversichtlich.

«Unsere Studie zeigt, dass die Hälfte der über 55-Jährigen nicht genau wissen, wie viel Geld sie nach ihrer Pensionierung zur Verfügung haben.»

Erwarten Sie wegen den steigenden Zinsen nicht eine Abkühlung am Immobilienmarkt?
Bei schlechteren Lagen könnte es bei den Immobilienpreisen durchaus eine Abkühlung geben, wenn die Zinsen weiter steigen.

Was passiert, wenn es zu einem Wirtschaftsabschwung kommt und die Zinsen steigen? Rechnen Sie dann mit einem Crash am Schweizer Immobilienmarkt?
Die nachhaltig hohe Nettozuwanderung und die Ansiedelung von Firmen führen grundsätzlich weiter zu einer soliden Immobiliennachfrage. Daher sehen wir kein grosses Risiko für einen Immobilien-Crash. Die ökonomischen Parameter sind heute anders als in den 90er-Jahren, als es zu einem Einbruch am Schweizer Immobilienmarkt kam. Qualitativ hochstehende Immobilien bleiben weiterhin eine attraktive Anlage.

Welche Auswirkungen haben die Korrekturen bei Aktien und Immobilien für die Versicherten?
Auf die meisten Versicherten hat dies keine unmittelbaren negativen Auswirkungen. Jene Versicherten mit Policen, die an die Entwicklung der Finanzmärkte gebunden sind, würden wohl die Entwicklung kurzfristig sehen, doch sie sparen langfristig und können Schwankungen verkraften. Das wird von den Kunden gut verstanden.

Fühlen Sie sich angesichts der steigenden Zinsen und Marktturbulenzen bestätigt, dass Sie – anders als viele Konkurrenten – nicht aus dem Vollversicherungsgeschäft ausgestiegen sind?
Absolut. Wir wollen unseren Kunden Wahlfreiheit bieten. Die Firmen sollen sagen können, ob sie eine Vollversicherung mit umfassenden Garantien wollen oder ob sie die Anlagerisiken selbst tragen möchten. Es gibt einen grossen, treuen Kundenstamm, der unser Vollversicherungsangebot schätzt.

Mit der Lancierung von Swiss Life Wealth Managers versuchen Sie, stärker in der Vermögensverwaltung für Private aktiv zu werden. Wird die Swiss Life nun auch zu einer Bank?
Nein, wir werden keine Bank. Aber aus über 165-jähriger Tradition können wir gut Gelder langfristig und zielorientiert anlegen, wovon nun auch Private direkt profitieren. Auch in der Kundenberatung mit Finanzund Pensionsplanung sowie Vermögensverwaltung haben wir uns über lange Zeit eine Expertise aufgebaut.

Was machen Sie anders als eine Bank?
Wir konzentrieren uns stark auf die Finanzplanung. Daraus leiten sich dann Anlagemöglichkeiten ab. Die Kunden entscheiden selbst, ob sie diese mit Swiss Life Wealth Managers umsetzen möchten. Unser Fokus liegt auf der Kombination von Finanzund Pensionsplanung und Vermögensaufbau.

Wie ist dieses Geschäft angelaufen?
Wir sind Ende Mai gestartet und richten uns an Kunden mit einer halben bis drei Millionen Franken an frei verfügbarem Vermögen, die eine persönliche, massgeschneiderte Beratung suchen. Es ist noch früh, um eine Bilanz zu ziehen. Aber es ist gut angelaufen, und wir sind zuversichtlich, dass es funktioniert.

Welche Ziele verfolgen Sie?
Wir verfolgen damit zwei Ziele: Wir wollen Finanzplanungen anbieten und im Rahmen der Vermögensverwaltung Kundengelder gewinnen. So wollen wir unser Fee-Geschäft ausbauen, also mehr Gebühren generieren. Dieser Bereich wird für unser Geschäft einen zusätzlichen Beitrag leisten, wenngleich das traditionelle Versicherungsgeschäft und die Vermögensverwaltung für institutionelle Kunden auch in Zukunft zentral bleiben. Das Versicherungsgeschäft hat 165 Jahre Vorsprung und ist daher massiv grösser. Dank dem Erfolgsausweis von Swiss Life Asset Managers im Vermögensverwaltungsgeschäft können wir nun erfolgreich diversifizieren und neue Kunden ansprechen.

Planen Sie, im Rahmen der Vermögensverwaltung für Private weitere Filialen zu eröffnen?
Wir werden per Ende Jahr drei Filialen eröffnet haben. Unser Netz wird sicher noch wachsen. Wie schnell das geht, hängt jedoch von der Nachfrage der Kundinnen und Kunden ab. Unser klares Ziel ist es, dass wir diese Dienstleistungen in allen Regionen der Schweiz anbieten können.

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