Felix Bertram in seiner Praxis.
Felix Bertram in seiner Praxis. (Thomas Egli)
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«Die Kunst besteht darin, ein Gesicht lesen zu können»

Der Arzt, Unternehmer und Restaurant-Besitzer Felix Bertram über plastische Chirurgie, Erfolg und sein Engagement als Mentor und Investor in der neusten Staffel der TV-Show «Die Höhle der Löwen».

Silvia Aeschbach

Perfektes Aussehen ist heute gefragter denn je. Warum?
Der Wunsch, schön zu sein, ist so alt wie die Menschheit. Schönheit verführt, sie generiert Aufmerksamkeit und Bewunderung und kann den eigenen Status erhöhen. Studien beweisen zudem, dass schönen Menschen auch positive Eigenschaften wie Freundlichkeit, Intelligenz und Wärme zugesprochen werden. Neu ist allerdings, dass man heute keine Hilfe von «aussen» mehr braucht, um schön zu sein.

Sie meinen damit die virtuelle Schönheit?
Ja, es ist doch kinderleicht, mit gewissen Apps und Beautyfiltern seinen Avatar, also das perfekte digitale Ich, zu kreieren. Vor allem jüngere Menschen erleben in der virtuellen Welt, dass sie mit einem perfekten «Abziehbild» viel positives Echo in Form von Klicks und Komplimenten bekommen.

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Solange man sich dieses «Doppellebens» bewusst ist, sollte das kein Problem sein.
Die meisten kennen durchaus den Unterschied zwischen natürlichen Tatsachen und der virtuellen Realität. Wer von uns hat sich nicht schon mal virtuell die Falten geglättet oder die Hüften schlanker gezaubert? Dann gibt es aber jene jungen Menschen, die zu uns in die Klinik kommen mit dem Wunsch, wie ihr Avatar auszusehen, weil sie sich in natura hässlich fühlen. Diese verzerrte Wahrnehmung nennen wir Snapchat-Dysmorphia.

Wenn wir alle wie Ken und Barbie aussehen könnten, wäre das doch furchtbar langweilig.
Genau. Es sind doch die kleinen Makel, die Besonderheiten, die uns spannend und einmalig machen. Ausserdem definiere ich Schönheit schon längst nicht mehr nur über Äusserlichkeiten. Es gibt doch so viel mehr, was einen Menschen anziehend macht. Seine Persönlichkeit, die Ausstrahlung, der Humor.

«Es sind doch die kleinen Makel, die Besonderheiten, die uns spannend und einmalig machen.»

Sprechen Sie da nicht gegen ihre eigene Zunft?
(Lacht.) Was nützt die attraktivste Hülle, wenn innerlich Leere herrscht? Das Äussere sollte mit dem Inneren in Einklang stehen. Darum gehören für mich auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung, Bewegung an der frischen Luft, regelmässige Entspannungstechniken und ein guter Schlaf zum «Gesamtpaket».

Dieses «Gesamtpaket» reicht scheinbar vielen Menschen nicht, sonst hätten sich in den letzten zwanzig Jahren Filler- und Botox-Injektionen nicht verdoppelt.
Wenn solche Eingriffe dazu führen, dass Menschen selbstbewusster und glücklicher sind, warum nicht? Ein guter Schönheitsarzt schafft es, die Besonderheiten eines Gesichts zu erkennen und hervorzuheben.

Felix Bertram mit seinem Hund Lionel in der TV-Show «Die Höhle der Löwen».
Felix Bertram mit seinem Hund Lionel in der TV-Show «Die Höhle der Löwen». (CH Media)

Viele Frauen sind mit kleinen Verschönerungen nicht zu-frieden. Sie wollen Ergebnisse sehen. Wo liegen Ihre Grenzen?
Zum Beispiel bei einer Frau, die schöne, volle Lippen hat und sie noch voller haben will. Wenn sie nach dem Aufspritzen noch zwei «Zugaben» möchte, sage ich: Das wird nicht mehr schöner.

Sie sind also nicht nur Arzt, sondern auch Berater?
Genau. Am Anfang eines Gesprächs frage ich auch einmal: Welche drei Dinge gefallen Ihnen besonders gut an Ihrem Gesicht? Ich konzentriere mich also nicht gleich auf das, was einer Patientin nicht gefällt. Hat sie beispielsweise besonders schöne Augen, versuche ich, den «Rahmen» zu schaffen, dass sie besonders schön strahlen.

Und dann machen Sie ein Lifting der Augenlider?
Es muss nicht unbedingt eine Operation sein, um dieses Resultat zu bekommen. Die grosse Kunst besteht darin, ein Gesicht lesen zu können und mit einem gezielten und balancierten Einsatz möglichst viel zu erreichen.

Wissen Ihre Patientenimmer, was sie wollen?
Nein, oft kommen sie in die Sprechstunde und drücken sich über ihre Emotionen aus. Sie sagen nicht, «mir gefällt meine Nase nicht», sondern «ich fühle mich alt, müde, oder unsichtbar». Ich beobachte dann ihre Mimik und zeige ihnen im Spiegel, was sich bei ihnen beim Älterwerden konkret verändert hat. Auf diese Weise können sie erkennen, was die Ursache für ihr Unbehagen sein könnte.

Dermatologe und Tierschützer

Felix Bertram, 48, studierte Humanmedizin an der Universität Hamburg und promovierte 2001 in Mainz zum Doktor der Medizin. Nach Tätigkeiten in mehreren renommierten Klinken wurde er 2005 Facharzt für Dermatologie und Venerologie. 2007 gründete er in Aarau die erste Skinmed-Praxis. Heute verfügt die Skinmed Klinik für Dermatologie sowie Plastische und Ästhetische Chirurgie auch über Standorte in Lenzburg, Zürich, Olten und Wohlen. Sein Restaurant Skin’s in Lenzburg wurde vom «Guide Michelin» mit zwei Sternen und vom «Gault Millau» mit 16 Punkten ausgezeichnet. Ab 31. Oktober wirkt Felix Bertram zudem als Mentor und Investor in der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen» auf dem Schweizer Privatsender 3+ mit (jeweils 20.15 Uhr). Seit 2020 ist der aus Norddeutschland stammende Arzt und Unternehmer Schweizer Bürger. Privat engagiert er sich im Tierschutz. Er lebt mit 13 Hunden in der Region Lenzburg.

Während der Coronazeit nahmen Schönheits-behandlungen explosionsartig zu. Wie sieht es heute aus?
Filler- und Botox-Behandlungen oder neuere Geräte wie das Morpheus 8 sind immer noch sehr gefragt. Die Nachfrage nach kostspieligeren OPs hat aber abgenommen. Grund dafür ist sicher die Rezession. Es werden andere Prioritäten gesetzt.

In letzter Zeit geht es nicht nur um die äussere Schönheit, sondern darum, möglichst lange gesund und fit zu bleiben.
Sie sprechen den Longevity-Trend an, der sich auch bei uns etabliert hat. Für mich ist er eine natürliche Fortsetzung der bisherigen Entwicklung. Nur, dass es jetzt um das innerliche Wohlbefinden geht. Mit verschiedensten Technologien, Methoden und Gadgets versuchen Wissenschaftler und Forscher herauszufinden, was unser Körper für ein möglichst langes und vor allem gesundes Leben braucht.

Sie sind Arzt, Unternehmer und ab Ende Oktober als Investor und Mentor in der Schweizer Ausgabe von «Die Höhle der Löwen» tätig. Sind Sie, ein «Hansdampf in allen Gassen»?
Dass wird mir oft nachgesagt, stimmt aber so nicht. Aus meiner Perspektive haben all meine Unternehmungen und Schritte einen Zusammenhang und bauen ineinander auf. Hinter meinem Wunsch, Neues zu entdecken und zu fördern, stecken Passion und Neugierde. Als «Löwe» möchte ich junge Unternehmer und ihre Start-ups fördern und mein Wissen weitergeben.

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Als Machertyp fordern Sie nicht  nur viel von Ihren Mitarbeitern, sondern auch von sich selbst.
Das ist tatsächlich ein schwieriges Kapitel. Mein Führungsstil, die Dynamik und mein schnelles Tempo ist für viele ein Problem. Durch neue Strukturen innerhalb der Klinik und dadurch, dass ich weniger ins Tagesgeschäft eingebunden bin, hat sich eine eindeutige Verbesserung der Situation ergeben.

Viele erfolgreiche Menschen haben das Gefühl, sich immer wieder neu beweisen zu müssen. Sie auch?
Ja, das ist bei mir schon extrem. Manchmal wünsche ich mir, es wäre nicht so, und ich könnte einen Gang zurückschalten.

Kennen Sie die Gründe für Ihre Umtriebigkeit?
Ich denke, die Wurzeln liegen in meiner Kindheit und Jugend. Ich hatte damals nicht viel Selbstvertrauen. Und dann gab es diesen Schlüsselmoment: Ich wollte die Waldorfschule, die ich damals besuchte, verlassen und musste meinen Entscheid vor drei meiner Lehrer begründen. Sie meinten: Du wirst die Matura in einer staatlichen Schule nie schaffen. In diesem Moment habe ich mir geschworen, dass ich das beweisen werde. Was ich auch getan habe – und was möglicherweise der Antrieb für meine weitere Entwicklung war.

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