Text: Sarah Sartorius
Zwei Monate vor der Eröffnung der Langnau Jazz Nights und einen Tag vor dem Start des Ticketvorverkaufs geht es an den Feinschliff und Angela Schenker hat alle Hände voll zu tun. Sie ist die Geschäftsleiterin und die einzige im Team mit einer Fixanstellung. «Wenn das Festival dann startet und man sieht, für was man ein Jahr lang gearbeitet hat; das ist jeweils der schönste Moment», sagt sie im Gespräch im Mai.
Mit den Jazz Nights ist Angela Schenker verbunden, seit sie denken kann. Ihr Vater Walter «Wale» Schmocker, selbst Kontrabassist, hat das Festival 1991 gegründet und bis 2015 geleitet. 2016 übernahm die Tochter das Steuer. Mitgeholfen hat sie aber bereits mit 15 Jahren. Während den Sommerferien unterstützte sie ihren jazzverrückten Vater jeweils im kleinen Festivalbüro bei administrativen Arbeiten.
Im Booking ist Walter Schmocker immer noch tätig, im Kollektiv mit Schenker und zwei weiteren Personen. Ansonsten lasse er ihr alle Freiheit, betont die Festivalleiterin: «Er ist nicht der Typ, der nicht loslassen kann.» Zudem würden sie sich ideal ergänzen: «Mein Vater hat grosse Ideen, probiert gerne Dinge aus und schafft es, Leute zum Mitanpacken zu animieren. Ich bin eher strukturiert und organisiert», so Schenker.
Beides ist gefragt bei einem Kulturanlass, der diverse Formate vom Konzert bis zum Workshops anbietet und zu einem grossen Teil auf Freiwilligenarbeit basiert. Von den um die hundert Helferinnen und Helfern stammen viele aus Langnau selbst. Es ist eine weitere Errungenschaft des hartnäckigen Festivalteams: Die Langnauer*innen haben den Anlass zu ihrem eigenen gemacht. Um diese Anerkennung hätten sie jedoch erst kämpfen müssen, gerade mit dem sperrigen Genre Jazz, sagt Angela Schenker. Heute werden die Langnau Jazz Nights von der Gemeinde finanziell unterstützt und das ganze Dorf versammelt sich jeweils für die Open-Air-Konzerte auf dem Viehmarktplatz.
Das Off-Festival ist kostenlos und soll Berührungsängste abbauen, für manche ist es die erste Begegnung mit der Musikrichtung. «Wir sind natürlich gewachsen und die Bevölkerung ist mitgewachsen», sagt die Organisatorin und fügt an: «Es ist eine unglaubliche Chance für Langnau. Das Dorf kommt zusammen und der Horizont erweitert sich.» Zudem profitiere auch der Tourismus, die Hotels seien jeweils schon ein Jahr zuvor ausgebucht. «Und manche reisen aus Deutschland an und bleiben gleich eine ganze Woche auf dem Campingplatz.»
Aber nicht nur die lokale Bevölkerung schätzt das Festival. Längst hat sich der familiäre Charme auch in der internationalen Jazzszene herumgesprochen. «Langnau wird jeweils während fünf Tagen zum kleinen Treffpunkt der New Yorker Jazzszene», sagt Angela Schenker. Für die Hauptkonzerte in der Kupferschmiede reisen regelmässig Weltstars an. In diesem Jahr etwa der Saxofonist Donny McCaslin, der mit David Bowie zusammengearbeitet hat, oder die Legenden John Scofield und Dave Holland, die in Langnau im Duo auftreten. Aber auch neuere Formationen wie die Jazz-Avantgardisten The Bad Plus oder die chilenische Saxofonistin Melissa Aldana haben Platz im Programm.
Einige Musikerinnen und Musiker spielen zum wiederholten Mal im Emmentaler Dorf. «Die Jazz Nights sind ein willkommener Stopp auf ihren Sommertourneen», sagt Angela Schenker. «Sie schätzen es, zur Abwechslung in einem kleineren Konzertlokal zu spielen und geniessen die Nähe zum Publikum.» Auch gegessen wird oft am gleichen Ort wie die Zuschauerinnen und Zuschauer. Dann weht jeweils ein Hauch New York durchs Emmental.
Die Jazz Nights holen jedoch nicht nur bekannte Namen nach Langnau, das Festival fördert auch den Nachwuchs. Etwas, das Walter Schmocker, der selbst an der Musikschule in Langnau unterrichtet hat, von Anfang an am Herzen lag. So finden diverse Workshops für junge Musiker*innen statt. Sie werden unter anderem von internationalen Künstler*innen geleitet, in diesem Jahr etwa vom Schlagzeuger Kendrick Scott. Mit den Takeoff Concerts gibt es zudem auch Live-Auftritte von Nachwuchstalenten. Es ist kein Zufall, dass mit der Sängerin Mirjam Hässig und der Pianistin Maja Nydegger (Blaer) nun zwei Musikerinnen im Hauptprogramm auftreten, die erste Live-Erfahrungen im Nachwuchsprogramm der Langnau Jazz Nights gemacht haben.
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